Denkfabrik

Mit Weitsicht intelligenten Transport gestalten

Unternehmen, die neue digitale Technologien auf starke Weise nutzen, erschaffen damit Verkehr und Transport der Zukunft. Die Umsetzung erfordert Wissen, Vernetzung und eine Vision der eigenen Ziele.

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rohnen, autonomes Fahren, Elektrifizierung: Verkehr und Transport der Zukunft werden von vielen neuen Technologien beeinflusst. Unternehmen nutzen diese Technologien, um sie in konkrete Produkte und Lösungen für ihre Kunden zu überführen. Damit gestalten sie die Zukunft aktiv mit. Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf unsere Mobilität und auf Lieferketten? Wie sieht intelligenter Transport der Zukunft aus?


SYSTEME VÖLLIG NEU DENKEN

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Antworten auf diese Fragen wird beispielsweise der ITS-Weltkongress zum Thema intelligente Verkehrssysteme und Services („Intelligent Transport Systems“ – ITS) geben, der 2021 in Hamburg stattfindet. Geschäftsführer Harry Evers erklärt: „Es wird niemals eine einzelne Lösung für die großen Herausforderungen im Bereich des intelligenten Verkehrs geben. Stattdessen gibt es einen ganzen Strauß an Ideen, Ressourcen und Optionen. Jedes Land und jede Region muss sich dieser Situation mit den eigenen Möglichkeiten stellen.“ Evers sieht beispielsweise in Ländern wie China einen großen Handlungsdruck: „Um die Mobilität der wachsenden Bevölkerung dort weiterhin zu gewährleisten, müssen Verkehrsmanagementsysteme komplett neu gedacht werden. Da reicht es nicht, ein bestehendes System zu veredeln oder beispielsweise mithilfe von künstlicher Intelligenz zu verbessern. Die Herausforderung besteht eher darin, Rahmenbedingungen ganz anders aufzusetzen. Denn das, was bisher ausgereicht hat, wird künftig nicht mehr genügen.“
                                       
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»Gerade durch diese Vermischung der Sichtweisen und den Austausch dazu wird es möglich, voneinander zu lernen und auch gemeinsame Lösungen zu finden.«
    
 
Harry Evers,
Geschäftsführer ITS Hamburg 2021

                         

Harry Evers ist überzeugt, dass die Logistikbranche und die Akteure des ITS-Weltkongresses voneinander lernen können: „Die Logistik steht unter starkem betriebswirtschaftlichen Druck. Im ITS-Umfeld beschäftigt man sich sehr intensiv mit individueller Mobilität – einem Bereich, in dem der Kostendruck nicht ganz so hoch ist. Gerade durch diese Vermischung der Sichtweisen und den Austausch dazu wird es möglich, voneinander zu lernen und auch gemeinsame Lösungen zu finden.“ Themenschwerpunkte des Kongresses sind unter anderem automatisiertes und vernetztes Fahren, intelligente Logistik sowie intelligente Infrastruktur. Die Veranstalter erwarten 15.000 Teilnehmer, die sich zu den neuesten Themen informieren, austauschen und vernetzen können. Neben der Ausstellung, auf der sich Unternehmen mit eigenen Ständen präsentieren, gibt es unter anderem Vorträge und Podiumsdiskussionen. „Es ist ein Fachkongress, der die Welt in den Bereichen Transport, Logistik und Verkehr zusammenbringt und Gespräche auf inhaltlich höchstem Niveau ermöglicht“, erklärt Evers. Gleichzeitig sei der ITS-Kongress aber nicht wissenschaftlich geprägt, sondern sehr auf die Praxis, also Anwender und Lösungen, ausgerichtet.


ANALYSE VON DATEN IN VIER SCHRITTEN

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GPS und Mobilfunkkommunikation sind für Evers die entscheidenden Basistechnologien: „Auf der Information, wo sich jemand oder etwas befindet, bauen unzählige weitere Services auf.“ Weiterhin sieht er cloudbasierte Anwendungen und Schwarmintelligenz als Schlüssel für die Beantwortung von Mobilitätsfragen. So richtet sich auch die Krone Nutzfahrzeug Gruppe in ihrer Entwicklungsarbeit aus. „Wir bieten Lösungen, mit denen man Parameter wie den Standort des Fahrzeugs, die Achslast, Temperaturen oder den Reifendruck erfassen kann“, sagt Kurt Kunz, Leiter Forschung/Vorentwicklung und Elektronik im Fahrzeugwerk Bernard Krone. „Denn diese Daten sind der Schlüssel für mehr Intelligenz im Transport.“
                                     
Mit Krone Smart Scan kann freier Laderaum erkannt und genutzt werden – das vermeidet Leerfahrten.
Mit Krone Smart Scan kann freier Laderaum erkannt und genutzt werden – das vermeidet Leerfahrten.

Ihre Analyse verläuft laut Kunz in vier Schritten: Zuerst muss man Daten sammeln und kann sie damit visualisieren, transparent machen. Im nächsten Schritt werden sie analysiert, um zu verstehen, warum etwas so passiert, wie es passiert. Dann kann man daraus im dritten Schritt Prognosen ableiten – sie helfen, vorauszuplanen und proaktiv zu handeln, statt nur zu reagieren. „Genau dieses proaktive Handeln ist immer mehr gefragt und von unseren Kunden gewünscht“, so Kunz. Auf Basis der Vorhersagen, die mit einer durchdachten Nutzung der Daten möglich werden, kann man mithilfe von künstlicher Intelligenz Prozesse automatisieren und optimieren. „Unternehmen können also Ineffizienzen im Transport erkennen und diese dann auch selbst und automatisiert ausmerzen. So können sich intelligente Transportsysteme Schritt für Schritt weiterentwickeln.“
                              
»Solange ein Unternehmen nur das macht, was die anderen auch tun, kann es sich nicht abheben von den Wettbewerbern.«

 
Ingrid Göpfert,
Professorin für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Logistik
an der Philipps-Universität Marburg

               

Neben der Entwicklungsabteilung, die Kurt Kunz leitet, arbeiten viele weitere Bereiche im Unternehmen an diesen Themen. „Wir treffen uns regelmäßig zu übergreifenden Meetings, bei denen wir uns über die Abteilungsgrenzen hinweg über neue Trends und Aktivitäten austauschen – und die entsprechenden Aktivitäten daraus ableiten.“ In den vergangenen Jahren sind somit bereits mehrere smarte digitale Lösungen entstanden: Mit der Messung des Reifendrucks durch „Smart Tyre Monitoring“ lassen sich beispielsweise Reifenpannen vermeiden, die immer Stillstand und damit Ausfallzeiten beim Kunden bedeuten. „Wenn es uns gelingt, die Zahl solcher Pannen zu reduzieren, können wir auch Wartezeiten verringern oder Kostenoptimierung beim Transport an sich realisieren“, so Kunz.


KOMPLETT AUTOMATISIERTER PROZESS

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Eine weitere Innovation von Krone ist „Smart Scan“: Dieses System ermöglicht es, verfügbare Ladeflächen in Echtzeit zu erkennen, über einen Algorithmus auszuwerten und diese Daten dann über ein Portal dem Spediteur zur Verfügung zu stellen. „In Zukunft können diese Daten an Frachtenbörsen weitergegeben und Aufträge teilweise oder komplett automatisiert angenommen werden, sodass der Trailer noch besser ausgelastet sein wird.“ Kombinieren lassen sich diese Daten mit einer Information über die Achslasten, um nicht nur den verfügbaren Laderaum, sondern auch die freie Nutzlast zu übermitteln. Und wenn die Ladung selbst mit Sensoren oder digitalen Devices ausgestattet ist, können diese ebenfalls ausgelesen und die Daten an die Frachtenbörse weitergegeben werden – genau wie Informationen zum Fahrzeug oder zu Zertifikaten. „Heute muss der Spediteur das alles noch manuell übermitteln“, so Kunz. „In Zukunft können sich die vielen Einzelschritte zu einem komplett automatisierten Prozess wandeln, der Zeit und Kosten spart sowie deutlich mehr Transparenz ermöglicht.“
                                   

GEPRÜFTE QUALITÄT

Mit einem neuen Validierungszentrum in Lingen schafft Krone einen hochmodernen Ort zur Prüfung von Produkten der gesamten Nutzfahrzeug Gruppe.

Voraussetzung bei allen modernen Transportsystemen ist die Zuverlässigkeit der eingesetzten Produkte. Die Krone Nutzfahrzeug Gruppe bündelt deshalb ihre Aktivitäten zur Prüfung der Produkte an einem neuen Standort: Mit dem Krone Future Lab wird derzeit in Lingen ein hochmodernes Validierungszentrum gebaut. „Die Anforderungen der Branche wachsen ständig“, sagt Dr. Ulrich Wessling, Leiter der Produktentwicklung in Werlte. „Mit dem neuen Zentrum werden wir wesentlich effektiver und dabei gleichzeitig schneller Produkte prüfen und damit rascher auf den Markt bringen oder weiterentwickeln können.“
                                
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»Mit dem neuen Zentrum werden wir wesentlich effektiver und gleichzeitig schneller Produkte prüfen und damit rascher auf den Markt bringen oder weiterentwickeln können.«

 
Dr. Ulrich Wessling,
Leiter Produktentwicklung bei Krone

                                              
                     
TESTS RUND UM DIE UHR


Anfang 2019 erfolgte der offizielle Spatenstich im Lingener Industriepark. Auf 13 Hektar Fläche entstehen unter anderem eine Maschinenhalle mit Werkstätten, eine Testhalle mit drei fest installierten Prüfständen und einem modular aufgebauten Prüffeld für verschiedenste Aufgaben. Des Weiteren sind Büroräume sowie eine Teststrecke für Homologations- und Testfahrten in Bau. Die ganze Anlage dient dazu, den täglichen, harten Betriebseinsatz ins Labor zu bringen und die Produkte dabei zum Beispiel mit Fahrstrecken bis zu einer Million Kilometer zu testen. Die Tests laufen unterschiedlich lange – von einigen Stunden bis hin zu mehreren Wochen. In dem neuen Zentrum können die Einrichtungen dabei rund um die Uhr betrieben werden; die Planung wird nicht durch Faktoren wie Pausen der Fahrer oder Unterbrechungen durch schlechtes Wetter erschwert.
      
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»Wir können damit auch gezielter auf die Anforderungen der Kunden reagieren.«

 
Thorsten Perk,
Leiter Versuch bei Krone

                                                        
             
Getestet werden können zum Beispiel Achsen von Landmaschinen oder Anbauteile bis zum kompletten Sattelauflieger. Die Produkte werden unter anderem auf statische Festigkeit und ihre Lebensdauer untersucht. „Wir werden mit den neuen Anlagen für die Landmaschinensparte auch größere Getriebe als bisher prüfen können“, sagt Thorsten Perk, Leiter Versuch der Krone Nutzfahrzeug Gruppe. Das modular aufgebaute multiaxiale Prüffeld macht die Untersuchungen wesentlich flexibler, da mit geringem Aufwand unterschiedlichste Prüfungen schnell vorbereitet und durchgeführt werden können. Mit einer weiteren Anlage kann die Belastung der Straße auf die Fahrzeuge simuliert werden: Darauf werden mechanische Impulse vertikal über die Räder und die Sattelplatte in die Fahrzeuge eingeleitet. So ahmt man die Schwingungen während der Fahrt nach und kann deren Auswirkungen auf die Bauteile nachverfolgen und Schwachstellen schnell finden und abstellen.

KOOPERATION MIT WISSENSCHAFT
                                                          
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Das Zentrum ermöglicht es der Krone Nutzfahrzeug Gruppe, die hohe Qualität der Produkte weiter verlässlich abzusichern und ihre Zuverlässigkeit im Betrieb noch genauer darzustellen und zu überprüfen. „Wir können damit auch gezielter auf die Anforderungen der Kunden reagieren, weil bereits die Prüfung kleiner Stückzahlen möglich ist“, so Perk. „Das ist besonders interessant bei Bauteilen, die nur in speziellen Bereichen eingesetzt werden.“ Er sieht die größten Vorteile des neuen Zentrums in der Kombination aus der hochwertigen modernsten Ausstattung, der Größe des Geländes und der Verschmelzung von Prüfzentrum und Teststrecke direkt nebeneinander. Ulrich Wessling ergänzt: „Wir bekommen dadurch deutlich mehr Möglichkeiten und werden in Zukunft noch mehr Themen behandeln können. Der Hochschulstandort Lingen ermöglicht zudem Kooperationen mit der Wissenschaft.“

Das Krone Future Lab trägt seinen Namen auch deshalb ganz bewusst, weil es in Zukunft auch ein Ort sein soll, an dem Ideen abseits des Tagesgeschäfts entwickelt werden: Teams aus verschiedenen Unternehmensbereichen sollen sich auf speziell dafür geplanten Büroflächen treffen können, um gemeinsam innovative Ansätze zu verfolgen.

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Mit dem „Smart Trailer Check“ bietet Krone zudem die digitale Sichtprüfung des Trailers per Mobile App an. Mit dieser Lösung, die als „Trailer Innovation 2019“ ausgezeichnet wurde, lässt sich unter anderem der Zustand eines Fahrzeugs vor Beginn einer Fahrt erfassen. Diese Informationen werden dann digital gespeichert. „Der Fleetmanager hat damit immer den Gesamtüberblick über den Fuhrpark und kann gegebenenfalls Maßnahmen einleiten, zum Beispiel einen Werkstattbesuch planen – also auch wieder proaktiv handeln“, so Kunz. Bessere Sicht und Fahrsicherheit bietet „Krone Smart Birdview“: Bei dieser Lösung werden Kameras im oberen Traileraufbau montiert, die dem Fahrer am Lenkrad eine Rundumsicht bieten und ihm damit unter anderem beim Rangieren helfen. „Wenn man die Möglichkeiten dieser Anwendung weiterdenkt, ist beispielsweise in Kombination mit Sensorik ein höherer Diebstahlschutz möglich“, erklärt Kurt Kunz. Genau darin liegt das große Potenzial der technologischen Entwicklungen: Sie lassen sich in ganz konkrete Lösungen gießen, die den Arbeitsalltag erleichtern, mehr Sicherheit ermöglichen oder Kosten reduzieren. Um das umzusetzen, braucht man den direkten Kontakt zum Kunden, um dessen Anforderungen zu verstehen, aber auch Weitsicht: Unternehmen müssen den Blick voraus wagen, sich selbst immer weiterentwickeln und dabei klare Ziele setzen.


VISION FÜR EIN ZUKUNFTSFÄHIGES GESCHÄFT

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Wie können sie an den intelligenten Transportsystemen von morgen mitarbeiten und zukunftsfähige Geschäfte entwickeln und umsetzen? Ingrid Göpfert, Professorin für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Logistik an der Philipps-Universität Marburg und Autorin von „Logistik der Zukunft“ (Springer-Verlag), ist überzeugt, dass dazu ein klares Zukunftsbild nötig ist: „Wenn ein Unternehmen das nicht hat, wird es sich so verhalten wie die Mitwettbewerber: Es wird die Entwicklung der anderen nachahmen. Damit gerät es aber in eine gefährliche Wachstumsfalle. Denn solange es nur das macht, was die anderen auch tun, kann es sich nicht abheben von den Wettbewerbern – und damit auch keine nachhaltigen Wettbewerbsvorteile erzielen.“
                           
Wer keine Zukunftsvision für das eigene Unternehmen hat, wird sich kaum von Wettbewerbern abheben. Ein genaues Bild der eigenen Ziele dagegen schärft die eigene Identität.
Wer keine Zukunftsvision für das eigene Unternehmen hat, wird sich kaum von Wettbewerbern abheben. Ein genaues Bild der eigenen Ziele dagegen schärft die eigene Identität.

Wichtig sei, dass solch eine Vision auf ein Unternehmen zugeschnitten wird. „Auf individuelle Situationen passt kein Zukunftsbild von der Stange“, so Göpfert. Mit einem passgenauen Bild von der Zukunft könne dagegen ein Unternehmen alle seine energie- und kraftgebenden Funktionen für sich voll ausspielen: „Studien belegen, dass visionäre Unternehmen erfolgreicher sind als Unternehmen ohne Vision. Denn die Vision gibt dem Unternehmen eine persönliche Identität, indem sie seine Einmaligkeit und Spezifität auf den Punkt bringt.“ Zudem wirke es motivierend und sinnstiftend auf die Mitarbeiter, wenn ein Zukunftsentwurf formuliert werde: „Er zeigt die Richtung und fokussiert auf die Kernaktivitäten im Unternehmen. Wenn die Beschäftigten diese Richtung verinnerlicht haben, wirkt sie auch als eine wichtige Koordinationsfunktion, indem sie das ganzheitliche, systemische Denken und Handeln fördert. Last but not least: Die Vision ist der Motor für Innovationen im Unternehmen.“
                
Fotos: Freepik, ITS, Krone, iStock Illustrationen: Susann Hoffmann

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