Wie lassen sich Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit im Transport verbinden? Ingo Geerdes, Geschäftsführer Vertrieb der Fahrzeugwerk Bernard Krone GmbH & Co. KG, sprach darüber in einer digitalen Konferenz mit Dr. Moritz Petersen, dem akademischem Direktor des Center for Sustainable Logistics and Supply Chains an der Kühne Logistics University (KLU) in Hamburg.
Wie können und sollten eine nachhaltige Logistik und ihre Supply-Chains aussehen, und wo stehen wir derzeit auf dem Weg dahin? Moritz Petersen: Wir setzen in unserer Arbeit am Center for Sustainable Logistics and Supply Chains den Schwerpunkt auf die Emissionsreduktion, weil wir überzeugt sind, dass es der dringendste Aspekt ist. Das Ziel sind hier Lieferketten, die so wenig Schadstoffausstoß wie möglich verursachen. Man muss ehrlich feststellen, dass die Wirtschaft bei diesem Thema noch nicht auf einem guten Weg ist. Die Gesamtemissionen steigen global: Auch wenn die Logistik in den vergangenen Jahren immer effizienter geworden ist, wächst das Transportvolumen. Es gibt viele richtige und gute Entwicklungen, die den Anteil der Logistik am Emissionsausstoß verringern können. Immer mehr Logistiker setzen sich wirklich ambitionierte Ziele – auch wenn sie offen zugeben, dass sie bisher nur teilweise wissen, wie sie diese erreichen können. Aber das ist im Grunde der richtige Ansatz, um dann gemeinsam mit Partnern nach möglichen Wegen zu suchen. Solche Partner sind unter anderem die Hersteller von Fahrzeugen wie Krone.
Ingo Geerdes: Als Nutzfahrzeughersteller sind wir ein Teil der Logistik. Wir selbst können Emissionen in der Herstellung und Ausstattung unserer Produkte einsparen. Und diese Produkte helfen wiederum den Kunden, weniger CO₂ auszustoßen – vor allem durch die Digitalisierung des Trailers. Aber auch Gewichtsoptimierung, Aerodynamik und weitere Aspekte spielen dabei eine große Rolle. Der Preisdruck auf dem Transportmarkt ist sehr hoch. Das haben wir natürlich im Blick und entwickeln Produkte, die effektiv und gleichzeitig bezahlbar sind.
ZUR PERSON
Moritz Petersen, Jahrgang 1984, forscht und lehrt als Assistant Professor of Sustainable Supply Chain Practice an der Kühne Logistics University (KLU) in Hamburg an der Schnittstelle von ökologischer Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Der promovierte Ingenieur ist Direktor des Center for Sustainable Logistics and Supply Chains der KLU.
Vor welchen Herausforderungen stehen die Spediteure, und welche Produktlösungen bietet Krone dafür? Geerdes: Neben dem erwähnten Preisdruck sehen sich unsere Kunden mit zahlreichen weiteren Herausforderungen, wie gesetzlichen Regularien und dem Fahrermangel, konfrontiert. Unsere Telematiksysteme helfen dabei, sowohl Fahrer als auch Equipment hocheffizient einzusetzen. Für die maximale Auslastung von Transporten bieten wir eine 360-Grad-Überwachung des Trailers an, die unter anderem freie Stellplätze anzeigt. Darüber hinaus werden Geo-, Telemetrie- und Kühldaten sowie weitere Informationen rund ums Fahrzeug erfasst. Bei Abweichungen, beispielsweise einem Abfall des Reifendrucks, wird ein Alarm generiert und gesendet, um entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Ein schnelles Handeln wirkt sich dann auch positiv auf Kraftstoffverbräuche, Materialverschleiß und Lieferzuverlässigkeit aus. Predictive Maintenance ist ohne Telematik nicht denkbar. Darüber hinaus leisten wir damit einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit.
Unser Telematikportal ist offen! Wir können Daten anderer Dienstleister integrieren und umgekehrt. Gegebenenfalls notwendige Schnittstellen können wir bereitstellen. Diese Vernetzung funktioniert übrigens auch mit Truckherstellern. Die zentrale Erfassung auf einem Portal erleichtert dem Disponenten die Arbeit natürlich ungemein.
Neben all diesen Effekten spielt auch die Intermodalfähigkeit unserer Produkte eine große Rolle. Sie können sowohl auf der Schiene als auch auf dem Wasser transportiert werden. Würden seitens der Bahn noch mehr Kapazitäten zur Verfügung stehen, könnte man den Anteil der auf Zügen transportierten Trailer deutlich erhöhen und damit einen weiteren Beitrag zur CO₂-Reduktion leisten.
Petersen: Sie haben den Preisdruck angesprochen: Nach wie vor wollen Versender und Empfänger möglichst wenig für logistische Dienstleistungen bezahlen. Derzeit sieht man aber in der Seefracht, dass da doch Spielraum ist: Die Frachtraten explodieren geradezu, und die Versender bezahlen quasi jeden Preis, damit ihr Container mit auf ein Schiff geht. Es geht also doch anders! Die Logistiker, gerade im Straßentransport, sind in der Regel mittelständische Unternehmen und bekommen nur eine sehr geringe Marge. Dass die nicht von allein voranpreschen und ihren Fuhrpark komplett überholen, um Emissionen zu reduzieren, ist verständlich. Die Investitionen müssen ja auch realistisch umsetzbar sein.
Geerdes: Da haben Sie absolut recht. Nichtsdestotrotz muss man auch die Bevölkerung sensibilisieren, den Transport mehr wertzuschätzen. Kostenlose Retouren vermitteln zum Beispiel eine falsche Botschaft. Transport kostet nun mal Geld – vor allem auch, wenn er ökologisch nachhaltig sein soll.
Hat sich diese Wahrnehmung der Branche durch die Coronapandemie verändert? Petersen: Das Bewusstsein für die Relevanz der Logistik für die allgemeine Versorgung und für das Funktionieren der Wirtschaft ist in der Bevölkerung sicher gestiegen. Teilweise gab es im Frühjahr letzten Jahres Versorgungsengpässe, etwa bei Toilettenpapier oder medizinischen Materialien, weil die Nachfrage plötzlich so hoch war. Aber ansonsten sah alles ziemlich gut aus. Grundsätzlich wird aber eine Veränderung in puncto Nachhaltigkeit in der Logistik nicht vom Verbraucher ausgehen. Es gibt auch nicht die eine Interessengruppe, die das Steuer in der Hand hat, sondern hier sind alle gefragt. Die Hersteller der Assets, wie Sie als Fahrzeugwerk Krone, haben viele Hebel, die sie bewegen können, und das tun sie. Allerdings ist das ja noch eine recht junge Entwicklung, dass sich Unternehmen, die eigentlich ein Fahrzeug herstellen, für weitere Themen wie deren Auslastung engagieren. Des Weiteren sind daran die Logistikdienstleister beteiligt, die beispielsweise gezielt einen emissionsarmen Fuhrpark aufbauen und ihre Routen klug planen können.
ZUR PERSON
Ingo Geerdes, Jahrgang 1969, ist seit drei Jahrzehnten bei Krone tätig. Er hat verschiedene Führungspositionen im Unternehmen durchlaufen, seit 2017 fungiert er als Geschäftsführer Vertrieb. Zusätzlich verantwortet er die Bereiche Krone Fleet und Krone Used.
Wie sieht es mit politischen Regulationen aus? Petersen: Die haben sicher die größte Wirkung. Der Markt funktioniert, wenn das, was man vermeiden will, einen Preis hat. Und der muss hoch genug sein. Sobald es finanziell attraktiver wird, in umweltfreundliche Lösungen zu investieren, wird da auch mehr passieren. Der Gesetzgeber hat mit der CO₂-Steuer einen großen Hebel. Es wird sich zeigen, ob der weit genug gezogen wird.
Wie können die Spediteure unterstützt werden? Geerdes: Die meisten Unternehmer in diesem Geschäft scheuen Investitionen, deren Return on Investment (ROI) aus ihrer Sicht zu langfristig ist. Daher ist es auch eine Anforderung an uns Hersteller, hier Lösungen zu finden. Ein Beispiel: Wir haben vor etwa einem Jahr mit einem Partner einen ersten Kühltrailer gebaut, bei dem das Kühlgerät nicht mit Diesel, sondern mit Strom betrieben wird. Eine Rekuperationsachse gewinnt hier Energie, die im Trailer gespeichert wird. Die Fahrzeuge müssen relativ lange im Einsatz sein, damit sich das rechnet, aber: Nachhaltigkeit inklusive. Ich denke, für Spediteure ist es wichtig zu wissen, dass solche Fahrzeuge bereits eingesetzt werden. Wir haben bereits vor langer Zeit mit der Produktion dieser Trailer begonnen und werden dieses Segment in Zukunft weiter ausbauen.
Stichwort alternative Antriebe: Welche Technologie wird sich durchsetzen? Petersen: Das kann sicher niemand genau sagen. Grundsätzlich hängt so etwas ja sehr vom Nutzungsprofil des Fahrzeugs ab. Es gibt nicht die eine beste Lösung. Es wird häufig so wahrgenommen, dass das eine Entweder-oder-Entscheidung sei, aber es ist ein großer Unterschied, ob wir von der letzten Meile oder einem Langstreckentransport sprechen.
Geerdes: Ich glaube auch, dass wir letztendlich einen Mix aus verschiedenen Technologien nutzen werden. Für den flächendeckenden Einsatz von Elektrotrucks fehlt uns die dafür nötige Infrastruktur. Genauso werden wir nicht alle Güter auf die Schiene bekommen. Es ist wichtig, die vorhandenen Ressourcen optimal zu nutzen. In Kooperation mit dem Softwarehersteller Shippeo arbeiten wir beispielsweise an einer digitalen Lösung, die die Ankunftszeit eines Transports sehr genau berechnet – sodass der Kunde weiß, wann seine Ladung ankommt. Das hilft, Prozesse deutlich effizienter zu gestalten. Weiterhin haben wir mit Rytle ein Unternehmen gegründet, das die Zustellung von Waren auf der letzten Meile per City-Hub und Elektrofahrrad ermöglicht. Wir möchten vollumfänglich in der Lieferkette vertreten sein und sie so effizient und CO₂-neutral wie möglich machen.
Petersen: Ich denke, das ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass es eben nicht darum geht, Dinge, die in der Vergangenheit immer auf eine bestimmte Art gemacht wurden, einfach nur mit einem anderen Antrieb zu lösen, sondern das System grundlegend anders auszugestalten. Die KEP-Dienstleister hören es nicht gern, aber auch eine White-Label-Lösung könnte der richtige Weg sein.
Geerdes: Das ist durchaus auch in der Zukunft ein spannender Ansatz für die gesamte Branche. Heute sind viele Transportbehälter mit einem Firmenlogo versehen. Bei den Vermietern sehen wir, dass neutrale Fahrzeuge von verschiedenen Transportunternehmen eingesetzt werden können. Vielleicht gibt es in Zukunft anonymisierte Ladungsträger, die von unterschiedlichen Kunden genutzt und damit stärker ausgelastet werden. Das ist vielleicht noch Zukunftsmusik, aber ein denkbares Szenario.
»Es gibt viele richtige und gute Entwicklungen, die den Anteil der Logistik am Emissionsausstoß verringern können.«
Moritz Petersen
Was raten Sie Spediteuren: Was sind ihre wichtigsten Aufgaben in Bezug auf mehr Nachhaltigkeit? Geerdes: Aus unserer Sicht ermöglicht die Digitalisierung, das Equipment deutlich effizienter einzusetzen. Wir bei Krone möchten unseren Beitrag dazu leisten, indem wir unsere Behälter und Trailer immer intelligenter machen, damit unsere Kunden ihre Produkte zunehmend nachhaltiger transportieren können.
Petersen: Die Spediteure sollten das tun, was sie schon immer getan haben: Bestmöglich wirtschaften. Und sie sollten sich auf alternative Antriebe einlassen und schauen, ob sie Pilottests fahren können oder sich mit anderen austauschen, die schon Erfahrungen mit diesen Technologien gemacht haben. Es gibt viele Unternehmen, die Vorreiter sind und Mut machen können. Eigentlich braucht niemand Mut in der Logistik – die Branche ist mutig. Aber sich damit zu beschäftigen, ist auf jeden Fall sehr sinnvoll. Als Spediteur muss man sich bewusst sein: Auch wenn es kurzfristig am besten scheint, so weiterzumachen wie bisher, wird es mittelfristig möglicherweise unangenehm werden, wenn größere Auftraggeber mehr Wert auf geringe Emissionen legen. Gleichzeitig kann die Logistik das große Thema Nachhaltigkeit nicht allein bewältigen. Sie braucht Rahmenbedingungen, die es ihr erlauben, dies wirtschaftlich zu tun.
Geerdes: Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit haben natürlich einen hohen Stellenwert und sichern den Unternehmen, unserer Umwelt und somit uns allen den Fortbestand. Dazu bedarf es der Weiterentwicklung unserer Produkte und Technologien und der Offenheit aller, diese auch sinnvoll zu nutzen.