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E-Commerce-Boom, Paketflut und die letzte Meile: Damit Lieferketten auch in Zukunft reibungslos funktionieren, sind in der Handelslogistik neue Lösungen gefragt.

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twa 2,2 Millionen Tonnen Fracht wurden im vergangenen Jahr am Flughafen Frankfurt abgewickelt, rund 64,5 Millionen Passagiere flogen ein und aus. Als eines der weltweit bedeutendsten Luftfahrtdrehkreuze ist Deutschlands größter Airport ein Symbol für die Vernetzung in alle Welt – und ein lebendiger Knotenpunkt, an dem Menschen, Ideen und wirtschaftliche Prozesse zusammenkommen. Nicht zuletzt findet auch direkt vor Ort Handel statt: In den zahlreichen Geschäften finden Reisende viele Dinge, die sie unterwegs oder an ihrem Ziel gebrauchen können.

Ob man auf dem Weg ins Flugzeug nach der Sicherheitskontrolle noch eine bestimmte Flasche Sekt im Handgepäck mitnehmen oder die Lieblingspralinen kaufen möchte – die Vorzüge des E-Commerce haben auch bei dieser Art von Einkäufen mittlerweile Einzug gehalten. So bietet das Hamburger Unternehmen Gebr. Heinemann, einer der Marktführer im Reisemarkt, die Services Click & Collect beziehungsweise Home Delivery an: Bis zu zwölf Stunden vor Abflug legt man seine gewählten Produkte in den Online-Warenkorb, gibt Abflugdatum und Zielflughafen ein, schickt die Bestellung los und holt die Ware später im Shop am Airport gegen Vorlage der Bordkarte schnell und unkompliziert ab – ohne Suchen, ohne Wartezeiten und ohne das Risiko, dass der gewünschte Artikel nicht vorrätig ist. Alternativ können die Kunden auch ab drei Monate vor einem Flug Produkte online bestellen, die zu ihnen nach Hause geliefert werden.

DIE KUNDEN ERWARTEN MEHR

An 79 internationalen Flughäfen in 29 Ländern ist Gebr. Heinemann mit mehr als 330 Shops vertreten, weitere Kunden sind Airlines, Fähren, Kreuzfahrtschiffe oder diplomatische Vertretungen. „Der Internethandel ist bei uns noch in den Anfängen“, räumt Logistikchef Marco Rebohm ein. Es sei aber unausweichlich, dass das Unternehmen sein Serviceportfolio erweitere. „Wir wissen, dass unsere Kunden immer mehr erwarten.“ Und der Kunde, das gilt für alle Gewerbetreibenden, ist nun mal König.

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»Die Zukunft gehört den Akteuren, die in der Lage sind, Daten aufzunehmen und zu verwenden.«


Wolfgang Lehmacher,
Head of Supply Chain and Transport Industries beim Weltwirtschaftsforum


Es ist ein gewaltiger Umbruch, der derzeit den gesamten Handel erfasst und zugleich enorme logistische Herausforderungen nach sich zieht. Laut Bundesverband E-Commerce haben die deutschen Verbraucher laut Bundesverband E-Commerce und Versandhandel im vergangenen Jahr Waren für 58,5 Milliarden Euro im Internet gekauft – knapp elf Prozent mehr als 2016. Und: Jeder achte Euro des gesamten Einzelhandelsumsatzes entfiel auf den E-Commerce. So wurden 2017 in Deutschland 3,35 Milliarden Paketsendungen transportiert – rund 190 Millionen mehr als im Vorjahr. Dabei ist vor allem das Endkundengeschäft gewachsen, wie der Bundesverband Paket- und Expresslogistik mitteilt.


VORAUSSCHAUENDE PLANUNG GEFRAGT

Wie kann es Händlern angesichts einer solchen Flut gelingen, ihren Kunden die gewünschten Waren konstant schnell und zuverlässig zukommen zu lassen? Mit dieser Frage hat sich Wolfgang Lehmacher, Head of Supply Chain and Transport Industries beim Weltwirtschaftsforum, beschäftigt. Er ist überzeugt, dass nicht etwa Drohnen oder autonome Fahrzeuge die wahren Knackpunkte bei logistischen Prozessen sind, sondern Daten: „Die Zukunft gehört denjenigen Akteuren, die in der Lage sind, Daten aufzunehmen und zu verwenden“, sagt Lehmacher. Im Internet ist es der Kunde, der durch seine Bestellung die gesamte Kette der Warenlieferung auslöst. „Die Herausforderung liegt darin, vorherzusagen, wo Kunden was bestellen werden.“ Wenn man das wisse, könne man beispielsweise Ware im Voraus dorthin transportieren, wo sie voraussichtlich abgenommen werde. So könnten Unternehmen den Markt schneller bedienen. Umsetzen lässt sich das laut Lehmacher durch die Auswertung historischer Käufe, unternehmensinterner Kundeninformationen oder sozialer Medien.

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Gebr. Heinemann führt in Hamburg-Allermöhe eines der modernsten Logistikzentren weltweit. Täglich werden dort bis zu 700.000 kommissionierte Verkaufseinheiten umgeschlagen.

Die Planung ist in Lehmachers Augen aber nur ein Aspekt. Ein anderer ist die Transparenz der Lieferkette, die für die Kunden zunehmend eine Rolle spielt: Ist das Produkt vorrätig? Wo befindet sich meine Bestellung gerade? Und wo ist die Ware produziert worden? All das wollen potenzielle Käufer heute wissen. „Um hier Antworten liefern zu können, müssen Unternehmen die Digitalisierung vorantreiben und das gesamte Papier aus dem Prozess herausnehmen“, so Lehmacher. „Alle Daten müssten online verfügbar sein.“ Zu einem gewissen Grad sei das auch für den stationären Handel bezüglich der aktuellen Verfügbarkeit seiner Produkte wichtig: „Der Kunde will vorab wissen, ob er einfach in den Supermarkt gehen und fünf Tomaten kaufen kann. Ansonsten ist es ein Glücksspiel, ob die Ware gerade vorrätig ist.“ Selbstverständlich profitieren auch alle, die an der Lieferkette beteiligt sind, von der Digitalisierung: „Mit Plattformen, auf denen alle Informationen gebündelt werden, ist die Zeit isolierter Einzelvorgänge vorbei“, sagt Lehmacher. Lagerflächen müssten mit Transportmitteln vernetzt sein, um Schnittstellen zu überwinden. Kurz gesagt: Die eine Hand muss ganz genau wissen, was die andere gerade macht.


DATINEO ENTWICKELT TELEMATIKLÖSUNGEN

Ein Unternehmen, das sich auf derartige Lösungen spezialisiert hat, ist Datineo. Die Anfang 2017 gegründete Krone-Tochtergesellschaft entwickelt innovative und zuverlässige Lösungen im Arbeitsfeld Telematik, Big Data und Internet of Things. „Wir fördern das Konzept des papierlosen Trailers, indem wir die Möglichkeit schaffen, Dokumente digital auszutauschen“, sagt Geschäftsführer Jan Horstmann, Bereichsleiter Elektronik und Produktinformatik bei Krone.

Besonderes Augenmerk liegt auf den Schnittstellen zu den unterschiedlichen Systemen. „Wir bieten den Kunden an, Schnittstellen zu ihren Logistik- oder Transportmanagementsystemen zu schaffen. Dabei kann dank Laderaumüberwachung und intelligenter Algorithmen die Auslastung der Fahrzeuge optimiert werden“, so Horstmann. Seine Tätigkeit ermöglicht ihm viel Gestaltungsspielraum: „Unsere Kunden haben spannende Anforderungen, beispielsweise im Handel. Die Waren dort werden immer kleinteiliger. Wir können mit unseren Systemen dazu beitragen, den ganzen Prozess der schnelllebigen Logistik greifbarer zu machen, und komplette Abläufe optimieren.“ Die Kunden könnten bestimmen, wann ihre Waren ankommen, sie live verfolgen und dabei jederzeit eingreifen. Das gilt für ein einzelnes Paket wie für ein komplettes Fahrzeug gleichermaßen.

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»Wir können mit unseren Systemen dazu beitragen, den ganzen Prozess der schnelllebigen Logistik greifbarer zu machen, und komplette Abläufe optimieren.«


Jan Horstmann,
Geschäftsführer von Datineo und Bereichsleiter Elektronik und Produktinformatik bei Krone


Wie wichtig solche Angebote sind, betont auch Andreas Kruse, Director Business Development für Logistik und Verpackung beim EHI Retail Institute in Köln. Es gehe nicht nur darum, die Supply Chain zu optimieren, sondern auch darum, ein Demand Chain Management zu entwickeln: „Wo früher beispielsweise 30 Filialen mit Ware beliefert wurden und die Information sozusagen zentral durchgeschoben wurde, äußert jetzt jeder Kunde seine individuellen Wünsche.“


EFFIZIENTERE ZUSTELLUNG VON SENDUNGEN

Zu welchen logistischen Herausforderungen dieses Kundenverhalten führt, ist in den deutschen Innenstädten schon heute unübersehbar. „Die Paketzustellung wird zunehmend zum Nadelöhr“, weiß Ulrich Binnebößel, Logistikexperte vom Handelsverband Deutschland. Für 2022 werden mehr als 4,3 Milliarden Sendungen erwartet. Damit sei schon jetzt klar, dass die Innenstädte mithilfe innovativer Ansätze viel stärker entlastet werden müssten, so der Experte. Das EHI Retail Institute testet beispielsweise ein Konzept für die Stadt Dortmund: Vor den Toren der Stadt wird ein Micro-Hub eingerichtet, von dem aus alle Händler mit so wenigen Lkw wie möglich beliefert werden. Solche Ansätze lassen Ulrich Binnebößel positiv in die Zukunft blicken: „Schon heute reagieren die Zusteller auf die Herausforderungen und sorgen mit alternativen Zustelloptionen wie Paketboxen und Bündelungsmaßnahmen auf der letzten Meile für Innovationen und eine effizientere Zustellung der Sendungen.“

EHI-SZENARIEN ZUR ZUKUNFT DER HANDELSLOGISTIK

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In einer Studie zur Zukunft der Handelslogistik bis zum Jahr 2025 hat das EHI Retail Institute neun Szenarien entworfen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Zum einen wäre da das „Parallel- Szenario“, bei dem der Onlinehandel hohe Wachstumsraten verzeichnet und der stationäre Handel versucht, sich mit neuen Funktionen und Services wie Click & Collect abzusichern. Im „handelsgesteuerten Szenario“ hat der Handel in einer digitalisierten Welt seine Pole Position im Kundenkontakt durch die intensive Nutzung von Advanced Analytics verteidigt und ist in der Lage, die komplexen Logistikprozesse durch eine eigenständige Warenlogistik zu steuern. Das „Ohnmächtiger-Handel-Szenario“ schließlich skizziert, wie der traditionelle Handel dem E-Commerce-Boom nicht mehr gewachsen ist – weder im Kundenkontakt noch in der Logistik – und wie ihm die Steuerung der Supply Chain entgleitet. Welches Szenario tatsächlich eintritt, lässt sich nicht sicher vorhersagen. Wohl aber kann man drei Wege ablesen, wie ein Händler erfolgreich am Markt bestehen kann: Er muss den Kunden in seiner Kommunikation präsent halten, Einzelinformationen über ihn nutzen und zunehmend auf Robotik und Automatisierung setzen.


Die Duty-Free-Spezialisten Gebr. Heinemann sind auch aus logistischer Sicht bestens für das Internetgeschäft gerüstet: Die Logistikzentren in Hamburg- Allermöhe und in Erlensee bei Frankfurt sind riesig. In Allermöhe steuern allein 500 Angestellte die logistischen Prozesse, bei denen täglich bis zu 700.000 kommissionierte Verkaufseinheiten umgeschlagen werden. Dank seiner innovativen IT und Umschlagstechnik zählt das Lager zu den modernsten Logistikzentren weltweit. So wird der Aufbruch in die digitale Zukunft des Handels möglich.

Laut aktueller Erhebung am Frankfurter Flughafen werden in diesem Jahr rund 76 Millionen Gäste das Airportgelände besuchen, die nicht nur fliegen wollen, sondern von denen sicher viele auch am Flughafen essen, trinken oder einkaufen werden. Die Handelsunternehmen sind darauf vorbereitet und bieten ihnen in Zukunft noch mehr Service.

Fotos: Weltwirtschaftsforum, Gebr. Heinemann, Krone, fotolia/Ig0rZh Grafik: gettyimages/akindo

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