Wandel

Die Menschen machen den Erfolg

Transport und Logistik entwickeln sich rasant weiter, stehen aber auch unter großem Druck. Dabei steht ein Thema für viele Unternehmen im Vordergrund: gute Mitarbeiter zu finden und sie langfristig zu binden. Wir zeigen, wie Akteure der Branche mit den Herausforderungen umgehen und konkrete Lösungen umsetzen.

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eue Technologien ermöglichen den Unternehmen neue Chancen: Sie können sich darüber weiterentwickeln und ihren Kunden neue Angebote machen. In Transport und Logistik ist es vor allem die Gewinnung und intelligente Verarbeitung von Daten, die Prozesse optimieren und völlig neue Geschäftsmodelle entwickeln können. Gleichzeitig steht die Branche vor vielen Herausforderungen: Der Kosten- und Zeitdruck steigt, die wachsenden Volumina ebenfalls, und der Klimaschutz ist eines der drängenden globalen Themen. Auch hier können innovative Produkte helfen: Sie machen die Unternehmen effizienter und halten sie damit konkurrenzfähig, indem sie beispielsweise einen nachhaltigeren und ressourcenschonenden Transport ermöglichen.


NACHHALTIG PERSONAL BINDEN

Gestaltet werden diese Prozesse immer von den Menschen, die in diesen Unternehmen arbeiten. Nachhaltigkeit ist auch im Personalwesen das entscheidende Kriterium für eine positive Zukunft: Als Unternehmen bleibt man nur mit gut ausgebildetem, motiviertem Personal auf Dauer erfolgreich. Diese Menschen für sich zu gewinnen, ist in Zeiten des Fachkräftemangels nicht einfach. Aber wie kann es gelingen?
                                       
Die Menschen machen den Erfolg Image 1

»Jeder kann alles lernen, wenn er den Biss hat, Ziele zu erreichen.«
    
 
Anna Athens,
Head of Human Resources

                         

Die Spedition Winner in Iserlohn ist mit 21 Niederlassungen und rund 500 Mitarbeitern in Deutschland, Italien, Polen, Tschechien und Österreich ein internationales Logistikunternehmen. „Wie die meisten Firmen der Branche spüren auch wir die Auswirkungen des Fahrermangels“, sagt Anna Athens, Head of Human Resources. Wenn Auszubildende bisher ihren Führerschein gemacht haben, kam es immer wieder zu Schwierigkeiten: „Teilweise waren die Azubis einen ganzen Tag für den Unterricht außer Haus, erzählten uns dann aber, dass sie dort nur eine Stunde wirklich selbst fahren durften.“ Aus dem Gedanken heraus „Das kann doch nicht so schwer sein!“ entstand die Idee: „Können wir nicht selber ausbilden?“


SPEDITION GRÜNDET EIGENE FAHRSCHULE

So entstand die Idee, die Azubis sowohl theoretisch wie auch praktisch in Eigenregie auszubilden. Dazu kooperiert Winner mit einer örtlichen Fahrschule. „Wir haben einen eigenen, modernen Lkw umgebaut, der jetzt von unseren Auszubildenden für die Fahrstunden genutzt werden kann“, berichtet Anna Athens. „Großen Zuspruch findet der dauerhafte Einsatz auf ein und demselben Lkw – bei konventionellen Fahrschulen ist das in der Regel nicht so.“
                                     
Spedition Winner: Ein Unternehmen lebt von und durch seine Teams. Um gute Mitarbeiter zu finden und langfristig zu halten, kann man viele Möglichkeiten nutzen.
Spedition Winner: Ein Unternehmen lebt von und durch seine Teams. Um gute Mitarbeiter zu finden und langfristig zu halten, kann man viele Möglichkeiten nutzen.

Der erste Auszubildende hat seine Führerscheinprüfung bereits erfolgreich bestanden, die nächsten sind in der Ausbildung. Der Unterricht im Unternehmen hat viele weitere Vorteile: So kann der Lehrer zum Beispiel individueller betreuen und genau auf die Stärken und Schwächen des Einzelnen eingehen. Die Stunden können zeitlich gut in den Lehralltag integriert werden, und die Auszubildenden sparen Zeit für die An- und Abfahrt zur Fahrschule. „Das Konzept kommt durchweg positiv an“, freut sich Athens. Elf Auszubildende sind 2019 bei der Spedition Winner im ersten Ausbildungsjahr neu gestartet. „Jeder kann alles lernen, wenn er den Biss hat, Ziele zu erreichen“, ist die Prokuristin überzeugt.


DIGITALE PLATTFORM FÜR FAHRER

Auch digitale Tools können helfen, um Fachkräfte zu finden. Das Start-up Birdiematch hat eine Plattform gegründet, die Bewerber und Arbeitgeber binnen Sekunden vernetzt. Auf Birdiematch.de können Kandidaten kostenlos ein Profil erstellen, das beispielsweise Auskunft über Führerschein, Berufserfahrung, Fähigkeiten und Gehaltsvorstellungen gibt. Arbeitgeber können ihrerseits hier sehr genau beschreiben, welche Stellen sie anbieten, was sie von einem neuen Mitarbeiter erwarten und was sie ihm zu bieten haben. So wissen beide Seiten schnell, ob sie zueinander passen. „Natürlich kann Birdiematch keine neuen Fahrer herbeizaubern“, sagt Josef Schindler, Geschäftsführer des Unternehmens, „aber wir können Arbeitgebern und Arbeitnehmern den Weg zueinander immens erleichtern.“ Für ihn bestehe eine wesentliche Herausforderung bei der Bekämpfung des Fahrermangels darin, bessere Arbeitsbedingungen für die Fahrer zu schaffen und den Beruf allgemein wieder attraktiv zu machen.
                           
Die Menschen machen den Erfolg Image 2

»Wir können Arbeitgebern und Arbeitnehmern den Weg zueinander immens erleichtern.«

 
Josef Schindler,
Geschäftsführer Birdiematch

                                              

Birdiematch ist seit Mai 2019 mit Lager- und Fahrerjobs online, rund 1.000 Fahrer haben sich seitdem registriert. „Das Angebot wird von beiden Seiten gut angenommen. Allerdings lässt sich auch nicht verleugnen, dass erfahrene Kraftfahrer weiterhin als ‚Mangelware‘ bezeichnet werden müssen“, so Schindler. „Die Kluft zwischen den Fahrern, die das Rentenalter erreichen, und dem Nachwuchs ist einfach zu groß. Hinzu kommt, dass Fahrer oft die geringe Wertschätzung ihrer Zunft und die Arbeitsbedingungen kritisieren. Hier appellieren wir an die Unternehmen, die Stimmen der Fahrer ernst zu nehmen und über weitreichende Verbesserungen nachzudenken.“ Zudem sei es an der Zeit, dass Personaler „sich endlich ins digitale Zeitalter begeben“, so Schindler. „Natürlich bedeutet das Einarbeitungsaufwand und kostet zunächst Geld, aber deutlich weniger als die sogenannten Aufliegekosten, die aufgrund nicht verfügbaren Personals durch ungenutzte Fahrzeuge entstehen!“ Mit Birdiematch sollen die Kosten pro Einstellung bei den Kunden bereits um bis zu zwei Drittel reduziert werden: „Die Investition in die digitale Personalbeschaffung und aktive Mitarbeitersuche lohnt sich am Ende gleich mehrfach.“
            
Das Start-up Birdiematch vernetzt über eine Onlineplattform binnen Sekunden Bewerber und Arbeitgeber.
Das Start-up Birdiematch vernetzt über eine Onlineplattform binnen Sekunden Bewerber und Arbeitgeber.


INTERNATIONALE TEAMS

Transport ist ein internationales Geschäft – was liegt da näher, als internationale Mitarbeiter zu gewinnen? Bei der Hamburger Spedition A. Hartrodt beispielsweise haben viele Mitarbeiter einen Migrationshintergrund; sie kommen unter anderem aus Ghana, Afghanistan, Pakistan und Ägypten. „Wir haben Kontakte in 60 Länder der Welt, sprechen täglich mit anderen Kulturen und sind sehr offen“, erklärt Willem van der Schalk, Geschäftsführer des Unternehmens. „So sehen wir auch den Einsatz von Flüchtlingen bei uns im Unternehmen als große Chance.“ Private Be-Fotos: Birdiematch, Freepik, a. hartrodt kannte, die sich in einer Flüchtlingsinitiative engagierten, hatten ihm vor einigen Jahren erzählt, dass es unter den Migranten viele junge Leute gibt, die beispielsweise aus Syrien kommen, dort studiert haben und mehrere Sprachen sprechen – neben ihrer Muttersprache Arabisch auch Englisch und Französisch. „Genau diese Kompetenz ist auf dem Bewerbermarkt selten zu finden. Ich fand es sehr schade, dass dieses Potenzial nicht genutzt wird“, so van der Schalk. „Die behördlichen Auflagen schienen erst unüberwindbar, bis wir Ausbildungsplätze anboten.“
                                   
Die Menschen machen den Erfolg Image 3

»Wir sehen den Einsatz von Flüchtlingen bei uns im Unternehmen als große Chance.«

 
Willem van der Schalk,
Geschäftsführer Spedition A. Hartrodt

                                                        

Drei junge Männer syrischer Herkunft nutzten die Chance. Einer von ihnen orientierte sich später um und wechselte zu einer Lehre in eine andere Branche, aber zwei machten erfolgreich ihren Abschluss als Kaufmannsgehilfen. Die Gemeinden, in denen die Männer zunächst lebten, hatten sie zuvor unterstützt, Deutsch zu lernen. „Die Sprache war tatsächlich auch die größte Hürde. Da hat es sehr geholfen, dass unsere übrigen Auszubildenden im Unternehmen Verantwortung übernahmen und ihren Kollegen halfen, für die Prüfungen zu lernen. Ich denke, das war das eigentliche Erfolgsrezept.“


ENGAGEMENT SOLL INSPIRIEREN

Die Spedition ging mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit, um andere zu inspirieren. Willem van der Schalk wurde für sein Engagement zur Integration von Flüchtlingen in der Branche 2017 mit dem „LEO Award“ der Deutschen Verkehrs-Zeitung in der Kategorie „Mensch“ geehrt. Anderen Unternehmen, die ebenfalls Migranten als Arbeitskräfte anstellen wollen, rät er, sich intensiv mit dem Thema zu befassen und die Angebote, die beispielsweise die Arbeitsagenturen zur Unterstützung machen, zu ergänzen: „Man muss bereit sein, Lücken in der vorherigen Ausbildung zu übersehen; wer zum Beispiel noch nicht Deutsch spricht, kann das lernen. Wir haben entsprechende Kurse als Unternehmen mitfinanziert“, so van der Schalk. Er empfiehlt auch, den jungen Leuten im Unternehmen mehrere Paten an die Seite zu stellen: „Sie sollten diese Aufgabe nicht nur auf dem Papier übernehmen, sondern sich wirklich nachhaltig kümmern.“
                
Willem van der Schalk (links) setzt sich für die Integration von Flüchtlingen ein und hat jungen Männern syrischer Herkunft Ausbildungsplätze ermöglicht.
Willem van der Schalk (links) setzt sich für die Integration von Flüchtlingen ein und hat jungen Männern syrischer Herkunft Ausbildungsplätze ermöglicht.
                    
Fotos: iStock/Prostock-Studio, Winner, Birdiematch, Freepik, a. hartrodt

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